Sechs Wegweiser für den Umgang mit einem rücksichtslosen Gegenüber
- „Das hat er jetzt nicht gesagt.“
- „Habe ich mich gerade verhört?“
- „Oh nein, jetzt fängt sie wieder damit an.“
Diese oder ähnliche Gedanken haben die meisten von Ihnen sicher schon einmal beim Zuhören gehabt. Wenn das Gegenüber einen Standpunkt äußert, der polarisiert, dem eigenen fundamental widerspricht oder sogar populistisch und menschenverachtend ist, dann gehen Sie als Zuhörer:innen in die Abwehr. Sie fühlen sich vor den Kopf gestoßen, sind vielleicht wütend. Sie fragen sich, ob mit der Aussage eine rote Linie überschritten wurde. Danach folgt die Überlegung, ob und wie Sie jetzt reagieren sollten. Oft ist das Gespräch in der Zwischenzeit schon weitergegangen. Die Äußerung bleibt dann unwidersprochen stehen. Stunden später fällt Ihnen die perfekte Antwort ein. Sie ärgern sich noch einmal.
Wie kann ich Polarisierung begegnen, wenn Gesprächspartner:innen angriffslustig und rücksichtslos sind?
Die gute Nachricht ist: Sie können etwas tun.
Die schlechte Nachricht ist: Sie werden Ihr Gegenüber wahrscheinlich nicht überzeugen.
Um aus der Situation mit einem besseren Gefühl herauszugehen, sollten Sie folgende sechs Wegweiser beachten:
- Es ist immer sinnvoll, etwas zu entgegnen: Lieber sprechen als schweigen!
Wenn Sie gar nichts sagen, werden Sie sich hinterher mehr ärgern als über eine unzureichende Antwort. Allein im Sinne der eigenen Werte einem Impuls nachgegangen zu sein, erfüllt das Bedürfnis nach Integrität. Zudem bekommt Ihr Gegenüber nicht den Eindruck, dass diese Äußerung toleriert wird. - Es geht ohne Gewinnen und Verlieren: Ich bleibe kooperativ.
Wenn Sie gewinnen wollen, gehen Sie in den Kampf. Sie beginnen mit einer ausladenden Argumentation. Ihr Gegenüber macht eine Gegendarstellung. Sie reagieren mit einer erneuten Argumentation. Es kommt zum Streit. Niemand gewinnt. Wenn Sie mit einer kooperativen Haltung starten und nicht um jeden Preis gewinnen wollen, nehmen Sie Druck aus dem Gespräch. - Ich muss mein Gegenüber nicht überzeugen.
Das hängt mit Punkt 2 zusammen. Wenn zwei Menschen grundlegend unterschiedlicher Auffassung über einen Sachverhalt (oder über moralische Überzeugungen) sind, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass innerhalb eines Gesprächs eine der Personen ihre Überzeugung ändert. Seien Sie sich bewusst, dass Sie die Ansichten Ihres Gegenübers nicht ändern werden und auch nicht müssen. Damit entlasten Sie sich und das Gespräch. Das Ziel sollte vielmehr sein, Irritation zu schaffen und zu zeigen, dass nicht alle Ihrem Gegenüber zustimmen. - Ich muss nicht perfekt sein.
Schlagfertigkeit ist Übungssache. Wer mit dem Anspruch startet, von Anfang an perfekt zu sein, nimmt sich selbst die Chance zur Übung. Seien Sie freundlich zu sich! Ihre Antworten werden mit jeder „Versuchssituation“ besser. - Ich bleibe respektvoll.
Niemandem ist geholfen, wenn die Situation außer Kontrolle gerät. Wer beleidigend wird, ärgert sich und riskiert eine Eskalation. Vermeiden Sie eine Abwärtsspirale des Tons. Bleiben Sie möglichst gelassen und freundlich. Wenn Äußerungen Ihres Gegenübers verletzend und aggressiv sind, sprechen Sie diese Wirkung direkt an und setzen eine Grenze. Dazu kann auch gehören, (vorerst) das Gespräch zu verlassen. - Ich setze meine Kräfte gezielt ein.
Polarisierenden Menschen sollte etwas entgegnet werden. Insbesondere menschenverachtende Äußerungen sollten nicht unwidersprochen stehen bleiben, auch damit Betroffene und Außenstehende geschützt werden. Die Verantwortung für diese Aussagen liegt trotzdem vollständig bei der sie äußernden Person. Sie sind nicht verantwortlich für abwertende Äußerungen Ihres Gegenübers. Sie müssen nicht über alles und mit allen diskutieren. Manchmal reicht es aus, eine Grenze zu kommunizieren und das Gespräch abzubrechen!
Hinweis: Diese Tipps sind nicht als Interventioin im Umgang mit Diskriminierung oder Gewalt gedacht, sondern dienen einer Selbstbefähigung und Kommunikationskompetenz in schwierigen Situationen. Wenn Ihnen im Alltag abwertende Äußerungen, Diskriminierung oder Extremismus begegnen, Sie sich damit allein fühlen oder Sie professionelle Unterstützung benötigen, dann gibt es die „Mobile Beratung“, die bundesweit mehr als 50 Beratungsteams hat. Hier sind Ansprechpartner:innen für Sie da.
Weiterführende Literatur zum Thema:
- Hufer, Klaus Peter (2016): Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen. 10. Aufl., Wochenschau Verlag.
- Pörksen, Bernhard; Schulz von Thun, Friedemann (2021): Die Kunst des Miteinander-Redens. Über den Dialog in Gesellschaft und Politik. Goldmann.
- Rafael, Simone (2007): Parolen parieren! Aber wie? [URL: https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/41603/parolen-parieren/ Stand 24.01.2025]